Boston Marathon 2011
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Autor, Copyright : Herbert Steffny
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Pustekuchen mit Weltrekord
Geoffrey Mutais 2:03:02 Std. vom Wind verblasen
(18.4.2011)


Schnellster Marathonläufer aller Zeiten, aber ohne Weltrekord. Die Rekordmarke von Haile Gebrselassie hatte Geoffrey Mutai schon 2010 in Berlin im Visier.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)
Der Kenianer Geoffrey Mutai läuft in Boston Marathonweltrekord (oder eher Welt-Bestleistung) mit 2:03:02 Stunden und dahinter rennt Landsmann Moses Mosop beim Debüt gleich 2:03:06 Stunden. Beide bleiben fast eine Minute unter dem Weltrekord von Haile Gebrselassie (2:03:59 Stunden, Berlin 2008). Der Dritte Gebre Gebremariam aus Äthiopien läuft 2:04:53 Stunden, seine bisherige Bestzeit war 2:08:14 Stunden (beim Sieg in New York 2010). US-Amerikaner Ryan Hall läuft sensationell die schnellste Zeit eines Weißen als Vierter in 2:04:58 Stunden usw.... . Wie bitte, diese Leistungen ausgerechnet in Boston??? Dem zwar insgesamt bergab führenden Punkt zu Punkt Kurs, aber doch mit einigen berüchtigten Anstiegen gespickten Kurs, darunter der gefürchtete "Heartbreak Hill", mit Startzeit am Mittag, wo es warm werden kann. Ich bin selbst zweimal Boston gelaufen. 1995 und nochmal 1996. Da gewann ich sogar die Masterswertung beim 100-jährigen Jubiläum. Ich kenne die Tücken und Chancen des Kurses nur zu gut. Es wurde heuer am 18.4.2011 aber nicht warm und der Wind stand rekordrichtig von West-/Südwest auf dem von West nach Ost führenden Kurs. Es war nicht nur ein bisschen Wind, sondern nach www.wetteronline mit 24 bis 31km/h (Beaufort 4-5) ein ordentlicher Rückenwind. Die Temperaturen waren mit 14 Grad Celsius bei leicht bedecktem Himmel und 28% Luftfeuchte ideal. An diesem Tag hieß es: durchstarten! Da träumst Du in Boston von.... an dem Tag musst Du dabei sein, wenn Du (eine fragwürdige) persönliche Bestzeit laufen möchtest.



Geoffrey Mutai aus Eldoret zeigte sich bereits bei den kenianischen Crossmeisterschaften in überragender Form.
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Nicht das erste Rückenwindrennen in Boston

So war es auch 1994 als die Deutsche Uta Pippig als Siegerin in für sie unter nicht Rückenwind-begünstigten Verhältnissen regulär nicht erreichbare 2:21:45 Stunden erreichte. Ihre unter normalen Umständen erzielte Bestzeit war 2:25 Stunden und auch die in Kyoto/Japan im Vorfeld gelaufenen Halbmarathonbestzeit von 67:59 Minuten kommt höchstens auf knapp unter 2:24 Stunden. Auch die Unterdistanzleistungen über 5.000 und 10.000 Meter sprachen nicht für diese Marathonzeit. Der damalige "Handküsschen-werfende-Medien-Darling", der später in Hormon-Doping verwickelt war und nachfolgend im Groll in die USA auswanderte, stand einer Erwähnung der Umstände ihrer fragwürdigen Leistung immer äußerst gereizt gegenüber. Andere Athleten nahmen es lockerer und gaben ehrlicher die 1994er Windverhältnisse zu. Zum Glück hat der deutsche Leichtathletik Verband diese ominöse Pippig-Zeit nach einigen Jahren nicht mehr offiziell als deutschen Rekord anerkannt. Ich recherchierte damals die Top-Ten Männer und Frauen von Boston 1994 und kam auf eine 3:00 bis 4:00-minütige Verbesserung (!) der persönlichen Bestzeiten, die später auch nicht nur von Pipig nicht mehr bestätigt werden konnten. Ein Resultat des an diesem Tage wehenden starken Rückenwinds!

Boston- (und London)-Kurs nicht bestenlistenfähig

Kein Athlet kann natürlich etwas für die Wetterbedingungen weder 1994 noch 2011. Geoffrey Mutai, der unglaublich-überragende Sieger der Kenia Cross Meisterschaften, die ich selbst vor Ort in Nairobi erlebte, war trotz des "nur" 5. Platzes bei der Crossweltmeisterschaft in Spanien für Marathon sicherlich in Topform. Vielleicht nicht für die 2:03:02 Stunden, aber eher wohl für 2:04 Stunden? Seine persönliche Bestzeit von Rotterdam 2010 ist immerhin eine starke 2:04:55 Stunden gewesen. Und nun fast zwei Minuten schneller? Und der Zweite Moses Mosop läuft denn mal so beim Debüt mit und erzielt dabei gleich die zweitschnellste Zeit aller Zeiten? Seine Bestzeit von 26:49 Stunden über 10.000 Meter gibt nach den Standardformeln "nur" 2:05 Stunden her. Immerhin war er 2005 Weltmeisterschaftsdritter über 10.000 Meter. Und der bisher 2:06:17 Stunden in London 2008 laufende US-Amerikaner Ryan Hall läuft in Boston 2:04:58 Stunden..., usw. Also geben wir mal für die Windverhältnisse, für die die Athleten erneut natürlich nichts können, ca. eineinhalb bis zwei Minuten. Was bleibt? Die Läufer haben alles richtig gemacht, aber der Kurs in Boston ist nicht bestenlistenfähig. Erstens: Trotz der Hügel hat Boston insgesamt mit dem Startpunkt in Hopkinton (Höhe 142 Meter) und dem Ziel in 4 Metern Höhe in Boston ein unzulässiges Gefälle von 138 Metern (maximal erlaubt 42,195 Meter Gefälle) und nach den Richtlinien der AIMS, der internationalen Organisation der Marathonveranstalter, entspricht der Kurs auch nicht den Kriterien, dass Start und Ziel zur Verhinderung von Rückenwindvorteilen nicht mehr als 50 Prozent der Länge, also 21,1 Kilometer auseinanderliegen dürfen. Dem letzten Kriterium genügt übrigens auch nicht der fragwürdige London Marathon, ebenfalls ein westwindbegünstigter Punkt zu Punkt Kurs, mit 31 Meter Gefälle, bei letzterem aber noch im Limit (42,195 Meter). So gesehen ist auch der Weltrekord von Paula Radcliffe 2003 in 2:15:25 Stunden in London, wo ebenfalls eher Rückenwind herrschte, in Frage zu stellen. Da London und v.a. der 115-jährige Boston Marathon zu den "heiligen Kühen" der Marathon Veranstaltungen und auch zu den "Big Five" den World Marathon Majors gehören, traut sich kaum jemand an diese Klassiker ran. Lange Rede kurzer Sinn: für mich gilt Haile Gebrselassie mit 2:03:59 Stunden auf einem "legalen" Kurs wie in Berlin weiter als Marathonweltrekordler und dann wäre entsprechend ebenfalls immer noch Paula Radcliffe mit 2:17:18 Stunden in Chicago Weltrekordlerin. Die 2:15:25 Stunden von London 2003 habe ich ohnehin nie verstanden. Sie passen weder zu Radcliffes Halbmarathon- noch zu ihrer 10.000 Meter Bestleistung.


Ryan Hall - der schnellste Weiße im Marathonlauf
(Foto, Copyright: Herbert Steffny)

Ryan Hall als Tempomacher für Mutai

Ach so der Marathon..., natürlich waren es spannende Rennen. Ryan Hall war weitgehend der Tempomacher der 5 Kilometer in 14:47 Minuten und 10 Kilometer in 29:05 Minuten absolvierte. Zu diesem Zeitpunkt war man schon eine Minute schneller als beim Streckenrekord von 2:05:52 Stunden von Robert K. Cheruiyot, der bei uns auch schon in Frankfurt 2008 gewann. Halbmarathon wurde in weltrekordverdächtigen 1:01:58 Stunden passiert. Mutai legte die 10 Kilometer zwischen 30 und 40 Kilometer in atemberaubenden 28:22 Stunden zurück. Nur Moses Mosop konnte noch folgen, unterlag aber im finalen Sprint. Die zweite Hälfte absolvierte Mutai in unglaublichen 61:04 Minuten. Sein Preisgeld betrug 225.000 Dollar, dabei sind Antrittsgeld und weitere Boni noch nicht berücksichtigt. Auch bei den Frauen wurden Top-, aber keine Weltbestzeiten erzielt. Im Gegensatz zu Geoffrey Mutai hatte auch keine Läuferin selbst mit Rückenwind das Potential dazu. Die Neuseeländerin Kim Smith führte lange Zeit, bis sie bei 30 Kilometern Krämpfe stoppten. Die Hoffnungen der Amerikaner lagen auf Desiree Davila, sie unterlag aber der zierlichen Kenianerin Caroline Kilel auf den letzten 200 Metern. Aber auch hier hagelte es fragwürdige persönliche Bestzeiten. Schauen wir mal wie die IAAF, der internationale Leichtathletik Verband nun mit Boston ins Gericht gehen wird... Die Bostonzeiten wurden in der Vergangenheit vom amerikanischen Verband nicht gewertet, der internationale Verband führte sie aber in seinen Statistiken, während ein kleinerer Marathon wie Florenz wegen ein paar Metern zuviel Gefälle als Bauernopfer mit Sternchen geführt wird. Hier ist dringend eine kritische und konsequente Neubewertung angebracht. Boston und London mögen Klassiker sein, aber die Strecken sind nicht regelkonform.

242 mit deutscher Staatsbürgerschaft finishten das Rennen. Am schnellsten waren der in den USA wohnende 26-jährige Andreas Heilmann in 2:36:28 Stunden drei Plätze vor dem 35-jährigen Daniel Kagelmacher aus Rügen, der in 2:36:47 Stunden auf dem 161. Platz im Gesamteinlauf einkam. Bei den Frauen lief die in Cham/Schweiz wohnende Denise Johannsen in 3:13:40 Stunden als 345. Frau am flottesten.

Ergebnisse Männer:
1. Geoffrey Mutai KEN 2:03:02
2. Moses Mosop KEN 2:03:06
3. Gebre Gebremariam ETH 2:04:53
4. Ryan Hall USA 2:04:58
5. Abreham Cherkos ETH 2:06:13
6. Robert Kiprono Cheruiyot KEN 2:06:43
7. Philip Kimutai Sanga KEN 2:07:10
8. Deressa Chimsa ETH 2:07:39
9 Bekana Daba ETH 2:08:03
10. Kipchumba, Robert KEN 2:08:44
11. Kamais, Peter KEN 2:09:50
12. Cardona, Juan Carlos R. Sr. COL 2:12:17
13. Yegon, Gilbert KEN 2:13:00
14. Bourifa, Migidio ITA 2:13:45
15. Abe, Toyoyuki JPN 2:15:48
  Ergebnisse Frauen:
1. Caroline Kilel KEN 2:22:36
2. Desiree Davila USA 2:22:38
3. Sharon Cherop KEN 2:22:42
4. Caroline Rotich KEN 2:24:26
5. Kara Goucher USA 2:24:52
6. Dire Tune ETH 2:25:08
7. Werknesh Kidane ETH 2:26:15
8. Yolanda B. Caballero COL 2:26:17
9 Alice Timbilili KEN 2:26:34
10. Yuliya Ruban UKR 2:27:00
11. Tsegaye, Tirfi ETH 2:27:29
12. Girma, Woynishet ETH 2:28:48
13. Mugo, Hellen KEN 2:29:06
14. Skvortsova, Silvia RUS 2:29:14
15. Puskkareva, Tatyana RUS 2:29:20

 

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